Vaclav Klaus zum heutigen Zustand der EU

Der ehemalige Staatspräsident Tschechiens, Vaclav Klaus, besuchte am 28 April die Schweiz.
In einem Referat an der Mitgliederversammlung der Auns äußerte er sich zur heutigen EU:
«Die Unterschiede zwischen Kommunismus und EU-Europa sind groß (und niemand kann sie leugnen), aber die Menschen in Europa sind heutzutage fast so stark reguliert, manipuliert und indoktriniert, wie wir in der späteren kommunistischen Ära gewesen sind.
Die Meinungsfreiheit ist wieder eingeschränkt.
Es herrscht die politische Korrektheit.
Die EU-Protagonisten und Propagandisten haben die Atmosphäre geschaffen, in welcher gewisse Fragen und Antworten nicht erlaubt werden.
Die wirkliche Debatte – diese unentbehrliche Substanz der Politik – existiert in der heutigen EU nicht mehr. Nur deshalb können die Menschen die Fortsetzung des heutigen Weges der europäischen Integration, der zur Postdemokratie und zur Stagnation führt, unterstützen, verteidigen oder zumindest passiv tolerieren.
Postdemokratie
In Europa erleben wir ein gefährliches demokratisches Defizit und das Entstehen der Postdemokratie. Lange Zeit beobachten wir den Anstieg von Anonymität der Entscheidungen, wachsende Entfernung der Bürger von den Entscheidungsträgern und gefährliche Entpersonifizierung der EU.
Für die Demokratie brauchen wir den Staat, nicht seine Schwächung und Liquidierung. Größere Strukturen als der Staat sind für die Demokratie ungeeignet. In diesen Strukturen ist die authentische demokratische Repräsentanz der Bürger nicht möglich. Das verstehen Sie in der Schweiz sehr gut. Auch deshalb haben Sie Ihre Kantone.
Ich bin überzeugt davon, daß die heutige europäische Entwicklung keine historische Notwendigkeit ist.
Was wir jetzt erleben, ist ein «man-made» (selbstgemachtes) Problem.
Es geht um unsere, sich selbst zugefügte Beschädigung. Die heutige, nicht erfolgreiche europäische ökonomische Entwicklung ist ein Produkt des heutigen europäischen Wirtschafts- und Sozialsystems auf der einen Seite und der mehr und mehr zentralistischen und undemokratischen EU-Institutionen auf der anderen.
Das Hauptproblem sehe ich in der Umkehrung des Gleichgewichts zwischen Staat und Markt, zwischen Politik und menschlicher Freiheit. Die extreme Version dieser Umkehrung haben wir im Kommunismus – mit bekannten Konsequenzen – erlebt.»
(Foto: Archiv)